Vielen Spaichingerinnen und Spaichingern ist die Architektur der Erwin
Teufel Schule ein Dorn im Auge. Dies nicht nur, weil das damals vom Kreistag
beauftragte Architekturbüro einen Bau errichten ließ, der in der Nachbarschaft
zur Hofener Kirche und zur Moschee, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite
liegt, zum Teil wie ein einfacher Klotz empfunden wird und viele die Meinung
haben, er würde nicht in das Stadtbild passen. Es wird auch die Meinung
vertreten, dass das Flachdach der Schule untypisch für Spaichingen sei.
Nächstes Bauvorhaben: St.Agnes. Das erst vor drei Jahren genehmigte
Gebäude wird bisweilen kritisiert, weil die Baurechtsbehörde der Stadt auch
hier ein Flachdach „durchgehen“ ließ. Zumindest habe man bei diesem Gebäude auf
eine dreistöckige Bauweise gedrängt, was das ganze etwas abmildert. Spaichingen
typisch sei der Bau aber nicht.
Nun was ist denn Spaichingen typisch? Was muss denn Bebauung an der
Hauptstrasse haben, damit sie typisch ist? Wie soll denn das Stadtbild
aussehen, damit der Besucher und der Durchfahrende, aber auch die Bürger
selbst, das Stadtbild als schön und zum Verweilen empfinden?
All das sind Fragen, die eine Baurechtsbehörde bei Beurteilung der
Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens nicht stellt und nicht stellen darf.
Soweit für ein Gebiet – wie etwa die Hauptstraße – kein Bebauungsplan, der die
Bauweise exakt vorschreibt, - vorhanden ist, prüft die Baurechtsbehörde bei
Antragstellung eines Bauherrn, ob sich das beabsichtigte Bauvorhaben in die
Umgebungsbebauung „einfügt“. Einfügen heißt, dass nach Größe des Bauvorhabens
und Ausnutzung des Grundstücks eine ähnliche Bebauung genehmigt werden soll,
damit ein einheitliches Stadtbild entsteht.
Das Problem bei der Hauptstraße ist allerdings, dass kein einheitliches
Stadtbild erkennbar ist. Der Marktplatz mit Flachdachbauten in drei- oder
mehrgeschossiger Bauweise, die Erwin Teufel Schule, Sankt Agnes usw. auf der
einen Seite und mehrgeschossige Geschäfts- und Wohnhäuser mit Satteldächern auf
der zweiten Seite. Ein bunter Mix von Architektursprachen der letzten 80 Jahre.
Historische, erhaltenswerte Bausubstanz, die die historische Identität einer
Stadt wiedergibt, ist leider nicht mehr erkennbar.
Gemeinderat
legt Gestaltungsgrundsätze fest
In einem solchen Fall – wie der Hauptstraße - ist es nur folgerichtig,
dass der Gemeinderat das Zepter in die Hand nimmt und Kriterien festlegt, wie die
Bebauung an der Hauptstraße aussehen soll. Dies auch deswegen, weil die
Baurechtsbehörde keine Möglichkeit hat, auf die Gestaltung der einzelnen Häuser
Einfluss zu nehmen, wenn, sehr unterschiedliche Bebauung vorhanden ist.
Nachdem die Baurechtsbehörde gegenüber dem Marktplatz auf dem Areal der
ehemaligen Fa. „Funk Däuble“, ein Wohn- und Geschäftshaus, welches von der
Fa.Gulden an dieser Stelle errichtet wird, genehmigt hat, welches mit einem
Flachdach versehen werden soll, war der Unmut in der Bevölkerung zum Teil groß,
weil eben davon gesprochen wurde, die Stadt würde immer mehr Flachdächer
genehmigen. Das Stadtbild würde sich so verändern, dass „Spaichingen“ verloren
ginge. Wo sind denn die alten Fabrikantengebäude, wo sind denn die Wohn- und
Geschäftshäuser der ersten Generation, wo denn die herrschaftlichen Brauereianwesen
mit Gasthofgebäuden. Sie alle seien einer modernen Architektur gewichen, die
Spaichingen keine Identität zu verleihen vermag, so das Credo der
Architekturkritiker.
Die Diskussion um Flachdächer griff die FDP Fraktion im Gemeinderat auf
und beantragte ein Bebauungsplanverfahren für den Bereich der Hauptstraße, um
Gestaltungsgrundsätze für die Zukunft zu haben, die der Baurechtsbehörde
Maßstäbe für die Genehmigungsfähigkeit von Bauvorhaben an die Hand geben soll, zum
zweiten aber auch gewährleistet wird, dass eine einheitlichere Bebauung das
Straßenbild der Zukunft sichert.
Deswegen hat der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplanes
beschlossen, um regulierend zu lenken. Das ist auch Aufgabe eines
Gemeinderates, der in diesem Fall die Aufgaben der Stadtbildentwicklung an sich
gezogen hat.
Warum
aber plötzlich diese Unruhe? Was läuft im Hintergrund? Gibt es da etwas, was
die Bevölkerung eben nicht weiß? Soll der Gemeinderat instrumentalisiert
werden? Lässt er sich vor Privatinteressen spannen?
Sofern die Gemeinde die Architektur in einem Bebauungsplan regeln will,
sieht das Baurecht vor, dass Bauvorhaben in dem Gebiet, für welches der
Bebauungsplan aufgestellt werden soll, erst dann genehmigt werden sollen, wenn
der Bebauungsplan und dessen Inhalte feststehen. Schließlich will man das, was
man in einem Bebauungsplan regeln will, nicht durch vorab genehmigte Bauten
vereiteln, bzw. den Zustand verschlechtern.
Die Gemeinde erreicht dieses Ziel mit einer sogenannten Veränderungssperre,
die der Gemeinderat auch bei Aufstellung des Bebauungsplanes beschlossen hat
und um die sich nun die Geister streiten.
Grund des Anstoßes ist ein beabsichtigtes Bauvorhaben der Fa. Baubüro Jung GmbH
an der Hauptstraße.
Der Bauträger hat ein Bauvorhaben genehmigt haben wollen, was mit einem
Flachdach vorgesehen ist. Dieses Bauvorhaben ist mit der Veränderungssperre
zunächst nicht genehmigungsfähig.
Nachdem der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplanes und eine
Veränderungssperre beschlossen hatte, sind Vertreter des Baubüros an
Gemeinderäte herangetreten und haben mächtigst interveniert.
Dies veranlasst nun einige Gemeinderäte, den Stein über die
Veränderungssperre erneut ins Rollen bringen zu wollen.
Da stellt man sich schon die Frage,
weshalb eigentlich, weil die Stadt mit dem Gemeinderatsbeschluss doch gerade
ihre Planungsabsicht bekundet hat und erst darüber diskutieren will, was
künftig genehmigt werden soll und was nicht.
Es stellt sich die Frage, ob die Privatinteressen des Bauträgers aus
welchem Grund auch immer möglicherweise einen höheren Stellenwert haben als das
öffentliche Wohl.
Doch zunächst der Reihe nach:
Wo sind
Privatinteressen und welchen Stellenwert hat das öffentliche Wohl?
Das ganze Verfahren wäre nicht so interessant, gäbe es – gerade bei
diesem Bauvorhaben – nicht eine interessante Vorgeschichte, die man wissen muss,
um die Brisanz gerade dieses Falles richtig einordnen zu können.
Die Fa. Baubüro Jung hat noch bevor der Rat einen Beschluss zur
Aufstellung eines Bebauungsplanes gefasst hat, bei der Baurechtsbehörde der
Stadt Spaichingen einen Bauantrag für ein Gebäude an der Hauptstraße auf dem
Grundstück gegenüber der Bäckerei Merkt – unweit der Stadthalle – gestellt.
Nach dem Willen der Bauherren soll das Grundstück sehr stark bebaut, d.h. hoch ausgenutzt
werden, zugleich soll das Gebäude ein Flachdach erhalten.
Nach Antragstellung hat Bürgermeister Schuhmacher mit dem
Geschäftsführer der Fa.Jung und deren Architekten ein Gespräch geführt, in dem
er darauf hingewiesen hat, dass das beantragte Bauvorhaben nicht wie beantragt
genehmigt werden könne, weil die Ausnutzung des Grundstücks zu hoch sei. Es
seien nachteilige Folgen für die Nachbarbebauung zu befürchten,
(Schattenwirkung etc) im Übrigen sei mit der Auslastung des Grundstücks in
beabsichtigter Form, eine zu hohe Verdichtung gegeben. Bürgermeister
Schuhmacher bat die Fa.Jung die Planung auf den Hinweis hin zu überdenken und
das Bauvorhaben „abzuspecken“. Zugleich bat er darum, dass sich die Fa.Jung
überlegen möge, ob sie das Bauvorhaben mit einem Dach versehen könne, was
besser in die Umgebungsbebauung passen würde, weil eben dort in diesem Bereich
fast alle Gebäude eine Satteldachform aufweisen würden.
Anstelle die Anregungen der Baurechtsbehörde und des Bürgermeisters
aufzugreifen, haben die Geschäftsführer der Fa.Jung – ohne den Hinweis umzusetzen,
um damit eine Genehmigung zu erhalten, alle Gemeinderäte angeschrieben und
hierin auf ihr Bauvorhaben hingewiesen. Zugleich wurde dafür geworben, dass
dieses Bauvorhaben ein Gewinn für die Stadt sei. Ein ungeheuerlicher Vorgang
aus Sicht des Verwaltungschefs. Bürgermeister Schuhmacher ließ den
Geschäftsführer telefonisch wissen, dass die Baurechtsbehörde, also die
Genehmigungsbehörde, die Stadt Spaichingen und nicht der Gemeinderat sei.
Dieser habe die Möglichkeit einen Bebauungsplan aufzustellen, jedoch nicht die
Möglichkeit, das Bauvorhaben zu genehmigen.
Bis dato ist kein geänderter Bauantrag der Fa.Jung eingegangen, vielmehr
beharrt man darauf, das Bauvorhaben in der Art und in dem Umfang genehmigt zu
bekommen, wie man eben bauen will. Das informelle Nein der Baurechtsbehörde im
Vorfeld spielt für den Bauträger hierbei keine große Rolle.
Offensichtlich ist der Einfluss des Bauträgers auf einzelne Räte doch
größer als gedacht, denn nur so erklärt sich, weshalb man nun nach Beschluss
über die Veränderungssperre redet, obgleich sie beschlossen worden ist.
Wer
vertritt welche Interessen?
Mit dem Beschluss des Gemeinderates einen Bebauungsplan aufzustellen und
mit dem Beschluss keine Bauvorhaben mehr zu genehmigen, bis der Bebauungsplan
rechtskräftig ist, ist das Bauvorhaben der Fa.Jung zunächst zurückgestellt. Der
Gemeinderat hat zwar die Möglichkeit das Bauvorhaben so massiv, wie es
beantragt wurde, zuzulassen, in dem er im Bebauungsplan entsprechende
Möglichkeiten schafft; die Fa.Jung ist jedoch an den Zeitplan des
Bebauungsplanes gebunden, was offensichtlich nicht gewünscht ist. Denn nur so
erklärt sich, dass Gemeinderäte nunmehr öffentlich Meinungen kundtun, die mit
dem eigentlichen Verfahren nichts zu tun haben.
CDU
Fraktion ändert Meinung zur Veränderungssperre
Besonders interessant hierbei ist die Haltung der CDU Fraktion im
Gemeinderat und die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden in der Schwäbischen Zeitung
zu diesem Sachverhalt. Er teilt über die Tageszeitung mit, der Beschluss zur
Veränderungssperre sei rechtswidrig, weil ein angeblich befangenes
Gemeinderatsmitglied an dem Beschluss mitgewirkt haben soll; man wolle die
Rechtsaufsicht mit der Prüfung beauftragen, so ist es in der Zeitung zu lesen.
Interessant ist, dass es gerade die CDU Fraktion noch vor eineinhalb
Jahren war, die – wegen eines Bauvorhabens - einen Bebauungsplan an der
Dreifaltigkeitsbergstraße und den Erlass einer Veränderungssperre beantragt
hatte.
Zur Erinnerung:
In der Nachbarschaft des Privathauses des ehemaligen CDU
Fraktionsvorsitzenden Dr.Oehrle, wurde ein Mehrfamilienhaus zum Bau von einer
in Dürbheim ansässigen Bauträgerfirma beantragt. Diese hatte das
Nachbargrundstück erworben und wollte dort ein Mehrfamilienhaus errichten.
Auch dort gab es keinen Bebauungsplan. Die Baurechtsbehörde der Stadt
und der Bürgermeister haben damals im Vorfeld mitgeteilt, dass das beantragte
Bauvorhaben nicht genehmigt werden könne, weil es eben zu massiv und die
Ausnutzung des Grundstücks zu hoch sei. Das Bauvorhaben wäre also auch ohne
Bebauungsplan nicht genehmigungsfähig gewesen.
Plötzlich kam ein Antrag der CDU Fraktion in den Gemeinderat, dass ein
Bebauungsplan aufgestellt werden soll und – wen wundert es – eine
Veränderungssperre beschlossen werden sollte. Damals war es aus Sicht der
Fraktion der CDU notwendig, eine Veränderungssperre und einen Bebauungsplan nur
wegen eines einzelnen Bauvorhabens zu erlassen, heute just eineinhalb Jahre
danach will man für das gesamte Gebiet der Hauptstraße keine
Veränderungssperre, weil man eben jetzt ein Bauvorhaben genehmigt wissen will.
Damals waren es reine Privatinteressen von Nachbarn, denen man mit der
Veränderungssperre zum Recht verhelfen wollte, in dem heute zu entscheidenden
Fall sind es reine Privatinteressen eines Bauträgers, denen man mit
Verhinderung der Veränderungssperre zum Recht verhelfen will.
Dies nun damit zu begründen, der Beschluss über die Veränderungssperre
sei nicht rechtmäßig, weil ein befangenes Ratsmitglied mitgewirkt habe, wirft
einen großen Schatten auf die gesamte Angelegenheit.
Dies auch deswegen, weil an der Dreifaltigkeitsbergstraße, das
Bebauungsplanverfahren „ruht“, nachdem der Dürbheimer Bauträger das Grundstück inzwischen
an einen Nachbarn verkauft hat, dem es möglicherweise wichtig war, damit die
Ausgangsbasis für Verkaufsverhandlungen zu verbessern.
Ein Druck für die Dreifaltigkeitsbergstraße einen Bebauungsplan zu erlassen,
besteht offensichtlich derzeit nicht mehr, zumal Bürgermeister Schuhmacher
schon im Vorfeld, darauf hinwies, dass ein solcher Plan, wie ihn die CDU
Fraktion wollte, rechtswidrig sein dürfte, weil er keinerlei städtebauliches
Ziel erkennen lasse.
Ein gleichgelagerter Fall also der nach Ansicht Bürgermeister
Schuhmacher – je nach politischer Opportunität – beurteilt werden soll. „Das
kann doch nicht sein, wenn man sich verpflichtet hat, dem öffentlichen Wohl zu
dienen“ argumentiert Schuhmacher verärgert über die Beiträge der Gemeinderäte
in der Schwäbischen Zeitung zu diesem Thema.
Was heißt
für den Grünen Fraktionschef Alexander Efinger ein überstürztes Verfahren?
Grünen Fraktionschef Alexander Efinger wird in der Tageszeitung zitiert,
der Beschluss zum Bebauungsplan für ein solch großes Gebiet wie die
Hauptstraße, wie jetzt beschlossen worden sei, sei für ihn überstürzt.
Auch diese Äußerung verwundert den Bürgermeister, zumal er bei jedem
Bebauungsplanverfahren den Gemeinderäten auch die einzelnen Verfahrensgänge
umfassend erläutert.
„Wie kann Herr Efinger als Gemeinderat so etwas in der Öffentlichkeit
sagen, wenn er doch weiß, dass der Beschluss nur die Einleitung eines
umfassenden Verfahrens, welches noch bevor steht, darstellt“ sagt der
Bürgermeister.
Gerade bei großen Abschnitten wie der Hauptstraße macht ein
Bebauungsplan Sinn, weil sich das Verfahren in verschiedene Abschnitte teilt
und im Verfahren alle Behörden und betroffene Bürger beteiligt werden.
„Wir haben uns für ein Verfahren entschieden, welches größtmögliche
Transparenz und Bürgerbeteiligung bietet. Wir haben entschieden, dieses
Verfahren zu wählen und stehen damit am Anfang des Prozesses. Was soll also da
überstürzt sein“ sagt Schuhmacher.
Gerade nach der Argumentation von Herrn Efinger macht eine
Veränderungssperre Sinn. Wenn man sich nämlich Zeit lassen will, verhindert man
mit der Veränderungssperre, dass zwischenzeitlich unerwünschte Bauten genehmigt
werden müssten.
Dass dann zum krönenden Abschluss die Redakteurin des Heuberger Boten in
ihrer Ansichtssache von einem Hau-Ruck Verfahren spricht kann nur mit
Ahnungslosigkeit über Zusammenhänge
bewertet werden, die sie eigentlich kennen müsste, weil sie als Redakteurin
schon seit Jahren Bebauungsplanverfahren begleitet.
Was ist
jetzt mit der Befangenheit?
Wirkt ein befangenes Ratsmitglied bei der Beschlussfassung über die
Veränderungssperre und den Bebauungsplan mit, dass ist der Beschluss
rechtswidrig.
Der rechtswidrige Beschluss über den Bebauungsplan wird durch den
weiteren Beschluss im Bebauungsplanverfahren zur Auslegung des Bebauungsplanes
geheilt.
Die Veränderungssperre selbst muss nicht erneut im Gemeinderat behandelt
werden. Selbst wenn der Gemeinderat diese nun nicht mehr wollte, was nur damit
begründet werden könnte, dass man Privatinteressen schützen will, hat die
Baurechtsbehörde über das Bauvorhaben zu entscheiden. Dass sie das beantragte
Bauvorhaben für nicht genehmigungsfähig hält, hat sie schon im Vorfeld den
Antragstellern mitgeteilt.
Quelle: Stadtspiegel Spaichingen, Oktober 2012